Kletterblatt 2015 - page 28

Messestand
Ticket to the Moon
Pavillon Helicopter
im Erholungsgebiet
Kellerberg, Wien
kletterblatt 2015
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Oliver Roman:
Im Allgemeinen ist der
Formenreichtum imWald oder beim
Baumschnitt so groß, dass man auf
ein reichhaltiges Repertoire zurück-
greifen kann. Es ist natürlich das Op-
timum, wenn man die Bäume schon
imVoraus auf Formzieht oder zumin-
dest junge Triebe und Seitenäste ent-
fernt, umastreine Oberflächen zu er-
halten, die leicht weiter zu verarbei-
ten sind. Ich erarbeite gerade mit
einem Baumschulbesitzer und Gar-
tengestalter ein Konzept für ein zu
rodendesWaldstück. Wir generieren
daraus Material für den Umbau und
dieNeugestaltung seines Betriebs. Es
sollen zum Beispiel Teile des Neu-
baus, Brücken und Interieur für den
Verkaufsraum entstehen. Dabei kön-
nen wir eine Menge an herkömm-
lichem Baumaterial substituieren
und arbeiten damit sehr klimapositiv.
Ein solches Projekt habe ich mir
schon lange gewünscht, denn es ver-
körpert genau die Essenz von Bauen
mit Bäumen.
Wie sind Sie eigentlich auf die Idee zu
Bauen mit Bäumen gekommen?
Oliver Roman:
Ich komme vom Ma-
schinenbauundwar eigentlich immer
unzufrieden mit den rein technolo-
gischen Lösungen. Vor allem fand ich
den hohen Energie-Input, der bei
Stahl, Glas oder Beton anfällt, unnö-
tig. 1991 baute ich mir mein eigenes
Haus. Es ist ein Kuppelbau aus Fich-
tenstämmen mit einer zwei mal drei
Meter großen Fichtenwurzel als Ab-
schlusselement und einem zentralen
Fenster darüber. Das war die Ge-
burtsstunde von Bauen mit Bäumen.
Mit der Zeit engagierten mich Men-
schen, die den Kuppelbau sahen, wie
zumBeispiel die Eltern von Igor Scot-
land, um außergewöhnliche Bauten
und Dachstühle zu realisieren. Nach
und nach kristallisierte sich dann die
spezielle Baumethode BMB mit
einem formulierten Konzept heraus.
NachmehrjährigemZusammenleben
mit Bäumen bemerkte ich jene Eigen-
schaft der natürlichenGestalt, die ich
Hypergeometrie nenne. Das ist eine
Geometrie, die jenseits des rechten
Winkels eine geradezu atemberau-
bende Vielseitigkeit in sich birgt. So-
baldman beginnt, die üblichen, meist
maschinell bedingtenGeometrien zu
verlassen, erschließt sich ein Reich-
tum an Form und Funktion.
Meiner Erfahrung nach strahlen die
natürlichenBaumteile eine anregende
Wirkung auf das menschliche Be-
wusstsein aus, die auch in dieser Hy-
pergeometrie begründet ist. Man
muss die Teile wirklich in die Hand
nehmen und ausprobieren, was sie
hergeben. Es ist ein spielerischer Pro-
zess, bei demman das komplexe We-
sen Baum verstehen lernt. Erst dann
begreift man, was eine organisch ge-
wachsene Struktur an Einsatzmög-
lichkeiten bereithält. Und es liegt nur
an uns, zuzugreifen …
Das klingt sehr spannend – und vor
allem nach einer sehr vielseitig ver-
wendbaren Möglichkeit, den Baustoff
Baum einzusetzen. Was ist mit dieser
Bauweise alles möglich?
Oliver Roman:
Ich habe schon vieles
damit realisiert: Von Leuchten und
Möbeln über Wendeltreppen bis hin
zu Pavillons und Landscape-Art-
Skulpturen im Größenbereich von
zehn bis zwanzig Metern. Ich gehe
auch so weit, dass in Zukunft auch
Flugzeuge damit gebaut werden kön-
nen. Man könnte die Formen für die
Tragflächenprofile zu Tausenden im
Wald züchten und so die hervorra-
genden statischenEigenschaften von
gewachsenemHolz nutzen. Übrigens
ist das Flugzeugmit der größten je ge-
bauten Spannweite mit knapp 100
Metern ein Holzflugzeug: die Spruce
Goose.
Sie haben es bereits mehrfach zwischen
den Zeilen angesprochen: Bauen mit
Bäumen ist mehr als bloß eine neue Me-
thode zu bauen. Für Sie ist es auch eine
Art Lebenseinstellung. Was genau ist die
‚höhere‘ Philosophie dahinter? Verfol-
gen Sie ein bestimmtes Ziel?
Oliver Roman:
Ja, es gibt tatsächlich
eine höhere Philosophie dahinter.Mit
der gängigen Bautechnik betreiben
wir eine beunruhigende Ressourcen-
verschwendung. Ungefähr 70 % des
Energieverbrauchs einer Volkswirt-
schaft gehen auf das Konto von Hoch-,
Tief- und Straßenbau! Ich wollte da-
mals einen ökologischen Input in die
Baukultur bringen. Und so habe ich
Bauen mit Bäumen so nahe wie mög-
lich an den primären Kreisläufen der
1...,18,19,20,21,22,23,24,25,26,27 29,30,31,32,33,34,35,36,37,38,...132
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