Kletterblatt 2012 - page 16

GB
auf der Baustelle
Arbeitnehmer
soziales Gefüge
Arbeitge
ber
Baumpflege
Praxis
kletterblatt 2012
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Zum Arbeitgeber:
Hier findet sich alles, was von be-
trieblicher Seite zur Verfügung ge-
stellt wird: Werkzeug, Weiterbil-
dungsmöglichkeiten und eine
durchdachte Arbeitsorganisation,
die versucht die Belange aller zu
berücksichtigen. Der Arbeitgeber
will und soll Geld verdienen und
der Grad zwischen Gutmütigkeit
und Gier ist schmal.
Zum sozialen Gefüge:
Das ist wohl der heikelste Punkt,
denn er ist schwer zu definieren
und für sein Entstehen gibt es kei-
ne klare Betriebsanweisung. Alle
Beteiligten tragen dazu bei, dass
ein Raum entsteht, in dem auch
der Praktikant demMeister sagen
kann, dass etwas nicht stimmt.
Dazu sind flache Hierarchien, so-
zial kompetente Menschen, aber
auch Zeit und Gelegenheit erfor-
derlich. Dieser Raumentsteht im-
mer wieder neu und bedarf einiger
Pflege. In unserer Branche ist ein
Mittel wie die Supervision sicher-
lich eher ungebräuchlich, aber es
wäre oft gut investiertes Geld.
V
orab eine Bemerkung: Wenn
eine Gefährdungsbeurtei-
lung erstellt wird, „um aus
demSchneider zu sein“, wenn
ein Unfall passiert, dann ist
etwas grundsätzlich falsch
verstanden worden. Denn es
geht beim Verfassen einer
GB darum, Verantwortung
wahrzunehmen und nicht da-
rum, sie abzugeben.
Die rechtliche Grundlage der GB
findet sich im Arbeitsschutzge-
setz, vor allem in den §§ 3 – 6 und
15 – 17. Es lohnt sich einmal nach-
zulesen, denn dort geht es nicht
nur darum, auf der Baustelle einen
Zettel auszufüllen. Vielmehr wird
versucht, das Ziel der geringst-
möglichen Gefährdung aller Be-
teiligten durch ein Gesamtpaket
zu erreichen. Die GB ist dabei ein
Baustein. Wenn wir das Gesamt-
paket etwas vereinfachend auf
eineGrafik reduzieren, könnte das
so aussehen:
Zum Arbeitnehmer:
Dieser Baustein beinhaltet die
Möglichkeiten der Arbeitnehmer
bzw. der ausführenden Personen.
Wissen und Erfahrung, aber auch
Tagesform und soziale Kompe-
tenz sind wesentliche Elemente.
Mir erscheint aber ein weiteres
dasWichtigste zu sein: dieRisiko-
bereitschaft. Die beste GB hilft
nichts, wenn der Ausführende
seine Arbeit mit dem Satz „Wird
schon passen!“ kommentiert und
damit vor allemseinenGlauben an
die eigene Unsterblichkeit zum
Ausdruck bringt.
Mehr
als eine Pflichtübung
Die baustellenbezogene Gefährdungsbeurteilung (GB)
Hier könnte z.B. eine systema-
tische Fehleranalyse betrieben
werden, die ohne Gesichtsver-
lust die Wirksamkeit der ge-
troffenen Maßnahmen auf
den Prüfstand stellt und so-
wohl Betriebsanweisungen
als auch die allgemeine Ge-
fährdungsbeurteilung weiter-
entwickelt und fortschreibt.
Das o.g. Ziel der geringstmöglichen
Gefährdung aller Beteiligten kann
nur erreicht werden, wenn alle
Bausteine um die GB herum ein
geschlossenes und in sich ver-
zahntes Gebilde darstellen. Je
stärker und kräftiger die Bau-
steine „Arbeitgeber“, „Arbeitneh-
mer“ und „soziales Gefüge“ sind,
desto kleiner kann die baustellen-
bezogene Gefährdungsbeurtei-
lung werden. Soweit, dass sie sich
nur noch auf wesentliche Punkte
des Baustellengeschehens zu be-
schränken braucht:
• Planung der Arbeiten
• Planung der Rettung
• Erkennen der Gefahren (Baum,
Baumumfeld, Arbeitsverfahren
etc.)
• Festlegung der erforderlichen
Maßnahmen zur Abwehr
Das Gefährlichste sollte die Fahrt
mit dem Auto zur Baustelle sein.
Und auch da lässt sich bestimmt
nochwasmachen
(siehe
).
Selbstständiger Baumpfleger,
Ausbilder der
Münchner Baumkletterschule,
Autor des Buches „Baumknoten“
Dirk Lingens
Hand aufs Herz: wer macht auf der Baustelle eine schriftliche Gefährdungsbeurteilung? Es werden wohl eher
weniger als mehr sein. Kommt es zu einem Unfall, fällt schnell der Satz: Hätte er/sie eine GB gemacht, wäre
das nicht passiert. Stimmt das?
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