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Mit Spaß zum Ziel

SKT-A-Kurse bei der Münchner Baumkletterschule: Ein Kletterkurs kann richtig Spaß machen. Wie Renate Koppen erfahren hat. Die Lehrerin an der Gartenbau-Technikerschule in Hohenheim und Buchautorin wollte sich ein eigenes Bild über die Ausbildung in der SKT machen. Ganz oben war sie mit dabei!

Die Baumpflege mit SKT ist ein wichtiges Betätigungsfeld innerhalb der grünen Berufe geworden. Jeder Auszubildende hat schon davon gehört oder sie im Ausbildungsbetrieb unmittelbar erlebt. Doch viele Betriebe betreiben auch Baumpflege mit Seil, ohne einen Fachmann zu haben. Welch ein Abenteuer! denken die jungen Leute. Welche Gefahren und versicherungstechnische Folgen! denken die Fachleute. Wie wird man aber Kletterer? Das wollte ich wissen und meldete mich bei der Münchner Baumkletterschule zu einem Kurs.

Der Einstieg
8 Uhr morgens. Der Herbstnebel hängt noch schwer über dem Boden. In einer Gehölzgruppe mit ca. 150 Jahre alten Rotbuchen steht ein schützendes Zeltdach, unter dem ein kleines Freiluftklassenzimmer für uns SKT-A-Aspiranten aufgebaut ist. Zum Glück rauchen dort nicht nur die Köpfe der Kursteilnehmer, sondern es dampft und faucht auch schon eine alte Kaffeemaschine. Die haben wir richtig lieben gelernt. Sogar Martin, in der Zivilisation eher ein Fan von trendigen Kaffeegetränken, hätte das gute Stück am Ende des Kurses am liebsten mit in sein Baumkletterer-Leben genommen.

Zum Warmwerden und Einstimmen auf die ersehnten Baumkletterübungen probieren wir die am ersten Tag erlernten Knoten noch einmal durch. Wir sind alle bei einem SKT-A-Kurs gelandet, weil wir Baumklettern lernen wollen. Und dazu gehört halt auch ein ordentliches Wissen über Seile und Knoten, um sich später sicher im Baum bewegen zu können. Ein eher trockenes Thema. Aber in der Gruppe und mit Kursleiter Willie Freese als Knotenflüsterer waren aus unverständlichen Seilwindungen plötzlich Knoten geworden, die man sich tatsächlich merken kann. „Solche Windungen passen doch in kein Gehirn!“ – das war gestern. Heute macht es allen richtigen Spaß, auch komplizierte Knoten zu knüpfen.

Unterricht: Knoten, Seile, fachgerechtes Material, Techniktheorie und die Persönliche Schutzausrüstung – die PSA, das ist die persönliche Standardausrüstung, um unfallfreies und sicheres Arbeiten bei der seilunterstützten Baumpflege zu garantieren. Kompliziert? Ja, bis man den Einstieg gefunden hat. Und die Kursleiter haben uns richtig gut dahin geführt. Die Ouvertüre vor dem Klettern war spannend und hat allen richtig Spaß gemacht.

Ein Beruf für starke Frauen und Männer
Unsere Gruppe besteht aus vier weiblichen und fünf männlichen Kursteilnehmern. Alle sind begeistert und hoch motiviert. Wir sind insofern auch eine homogene Gruppe, da alle Teilnehmer eine abgeschlossene Berufsausbildung oder langjährige Praxiserfahrung im grünen Bereich haben, was eine gute Voraussetzung für den Baumkletterkurs ist. Weitere Anforderungen für diesen Einstiegskurs sind gesundheitliche Tauglichkeit und eine Ersthelferausbildung.

High-Tech für Sicherheit und komfortables Arbeiten in der Krone
Endlich klettern. Das beginnt damit, dass wir uns mit dem Ort und den Bäumen, in denen ein Hauptteil des Kurses stattfindet, vertraut machen. Das Ziel ist klar: Baumklettern und Baumpflege lernen und dies mit sicherer Technik und besten Kenntnissen. Zur Sicherheit beim Klettern und Arbeiten in der Krone gehört eine persönliche Schutzausrüstung (PSA), die entsprechend genormt und zertifiziert sein muss. Dazu gehören: Helm, Gurt, Baumkletterseil, Klemmknotenschlinge oder LockJack, Karabiner, Kambiumschoner und Kurzsicherung.

Seit dem ersten Kurstag wissen wir, welche PSA wir benötigen, um sicher auf einen Baum zu klettern und dort zu arbeiten. Nun lernen wir unter Aufsicht und Beobachtung von zwei Ausbildern, in die Krone aufzusteigen und uns dort zu bewegen. Da die Seile ein wichtiger Ausrüstungsgegenstand sind, werden immer wieder – also auch bevor ein Kurstag mit Kletterübungen beginnt – Knoten geübt: Prusik,  Mastwurf, Überhandknoten, Achtknoten, Spierenstichschlinge und mehr. Dazu noch die Belastung und Reißfestigkeit. Aber seit Willies witziger und fundierter Knotenkunde sind Knoten für uns das Selbstverständlichste auf der Welt. Na ja, meistens. Manchmal klemmt es noch mit den Knoten. Und wenn Michael mal wieder über eine besondere Windung flucht, dann ist dies keine hoffnungslose Verzweiflung, sondern lediglich ein „Das wusste ich doch schon“.

Am Anfang steht die Wurftechnik
Wie kommt man denn nun endlich hoch in den Baum? Zum ersten Mal bauen wir jetzt unsere eigenen Kletterseile im Baum ein. Dazu muss zunächst eine Wurfschnur mit einem Wurfsack an einem Ende über eine Ankerpunktgabel, also an einer gut tragenden Astgabel, mit geschickter Wurftechnik platziert werden. Das sorgt natürlich für Gelächter, wenn Bernd auch beim zehnten Versuch nur einen dürren Ast trifft und meint, der müsse für sein Gewicht ausreichend sein. Schließlich seien 80 Kilogramm nicht wirklich schwer.

Wenn die Ankerpunktgabel gefunden ist, kann ein Schutz für die Rinde des Baumes, der sogenannte Kambiumschoner, eingebaut werden, oder sofort das Aufstiegsseil. Mit unterschiedlicher Klettertechnik lernen wir den Aufstieg in die Krone: mit Körperschub, mit Fußklemmtechnik, indem man sich eine Seilschlinge um den Fuß legt, bis zu technisch raffinierten Geräten wie LockJack oder I’D, mit denen man sich auch leicht wieder aus dem Baum herablassen kann.

Der Traum von der Motorsäge
Das Geräusch einer Motorsäge ist vielen Männern wunderbare Musik in den Ohren. Aber nach einem SKT-A-Kurs dürfen Schnittmaßnahmen „nur“ mit der Handsäge durchgeführt werden. Die Auswahl der unterschiedlichen Handsägen tröstet dann ein wenig darüber, dass die Motorsäge erst nach dem SKT-B-Kurs in der Krone verwendet werden darf. Dass auch eine Handsäge in Sekundenbruchteilen ein Seil durchtrennen kann, wird an der folgenden Übung deutlich. Diese Übung geht durch Mark und Bein: Jeder von uns „darf“ einmal knapp über dem Boden am Seil hängen. Dann, zack, eine unkontrollierte Handbewegung eines Teamkollegen, die Säge kappt in Zehntelsekunden das Seil und der im Seil hängende Kollege stürzt nach unten – bei uns nur wenige Zentimeter bis zum Boden. Alle dürfen es einmal spüren, dieses Gefühl, wenn das Seil gekappt wird. „Au Backe, wenn das oben passiert wäre!“ So lernt und spürt jeder, warum auch der Umgang mit der Handsäge äußerst sorgfältig sein muss.

Routiniert bewegen im Baum
An den folgenden Kurstagen wird weiterhin der Aufstieg mit den unterschiedlichen Klettertechniken am umlaufenden Seil oder stehenden Seil geübt. Doch jetzt geht es auch ans Eingemachte, der Gang aus dem Lot in Richtung Außenkrone, hinaus in den Feinastbereich. Wir erlernen Bewegungsabläufe, die mit dem normalen Gehen auf ebener Fläche nichts mehr zu tun haben. Dies unterscheidet die Baumklettertechnik von anderen Klettertechniken. Wir spüren schnell, dass die Kunst darin besteht, das Körpergewicht über das Hauptseil, den Ankerpunkt und die Füße so in den Stamm einzuleiten, dass der Ast sich nicht aus der natürlichen Position bewegt. Verstehen tut man das sofort, aber bei der Umsetzung dieser Bewegungen merken alle schnell, dass es viel Übung bedarf, bis Kopf und Glieder gemeinsam das Richtige tun. Spätestens jetzt wird auch klar, warum nach dem A-Kurs 300 Praxisstunden verlangt werden, bevor man sich zum B-Kurs anmeldet. Technische Tricks wie Umlenkungen erleichtern manches, ersetzen die Beherrschung der Bewegungsabläufe aber nicht. Das Gefühl, wenn man zum ersten Mal auf einem dünnen Ast in der Kronenperipherie steht (oder soll ich sagen liegt?), dieser aber nicht bricht und man dazu noch beide Hände frei hat, ist überwältigend.

Rettung aus dem Baum
„Alles, was schiefgehen kann, wird auch schief gehen“, so Murphys Gesetz. Im Alltag ist es nur das Butterbrot, das natürlich mit der Butterseite auf die Tischdecke fällt. Im Baum kann das andere Dimensionen annehmen. Eine gute Ausbildung minimiert die Unfallgefahren, aber ganz ausschließen kann sie diese nicht. Deshalb trainieren wir auch die Rettung aus dem Baum. Bevor die Rettung durchgeführt wird, wird jeder Handgriff besprochen und trainiert. Trotzdem sind wir alle angespannt. Wie viele Handgriffe, was ist alles zu beachten? Werde ich oben im Baum auch den richtigen Klemmknoten machen können, bekomme ich das „Unfallopfer“ sicher an mein Seil und schließlich aus der Krone heraus und hinunter auf den Boden? Schließlich ist es soweit. Kursleiter Willie gibt das Notfallszenario vor: Sägeverletzung am linken Arm, der Verunglückte kann sich nicht selbst abseilen! Passend zum Geschehen das Wetter: ein ungemütlicher kalter Nieselregen. Und dazu der Inszenator Willie Freese. Er treibt an, er fordert, er ist gleichzeitig Opfer und Retter. Er ist so engagiert und schafft mit seiner Dramaturgie eine Stimmung, dass ich meine Sägeverletzung richtig spüre. Und obwohl die Notfallsituation gestellt ist, läuft uns allen der Schweiß in Rinnsalen unter dem Helm hervor. Aber die Rettung gelingt.

Hier haben wir wirklich gespürt, wie wichtig es ist, Handgriffe zu beherrschen, um ein Unfallopfer aus dem Baum schnellstmöglich und sicher retten zu können. Im Ernstfall zählen die Minuten und Fehler dürfen keine passieren.

Baumkletterer
Nach vier Kurstagen ist Prüfungstag. Nun müssen wir zeigen, was wir in den vorangegangenen Tagen gelernt und geübt haben.

8 Uhr morgens, Herbst ist es geworden, wieder regnet es. Die Arbeitsbedingungen am Baum verschlechtern sich, die Bäume werden nass und rutschig. Anspannung in den Gesichtern, das letzte Mal werden Notizen durchgelesen, Knoten geübt … Ich fühle mich fast ein wenig in meine Schulzeit zurückversetzt. Doch wie drückte es Gabi aus: „In der Schule gehörte das Mogeln bei Prüfungen dazu. Heute will ich beweisen, dass ich es kann.“

Der erste Prüfungsteil dauert etwa eine halbe Stunde und umfasst die Beantwortung eines Fragebogens. Der zweite Teil der Prüfung ist ausschließlich praktischer Art, wobei die Kursleiter immer wieder in Gesprächen den Wissensstand der Prüflinge testen. Zum Prüfungsparcours gehören der Aufstieg in den Baum bis zu einem Ankerpunkt, der weiterer Aufstieg mit Kurzsicherung und Klettersystem bis zum Einbau des Kambiumschoners und das Arbeiten im Außenastbereich. Danach muss ein „Unfallopfer“ aus dem Krone gerettet werden. Und natürlich müssen unterschiedliche Knotentechniken gezeigt werden.

Und dann ist es soweit: Stolze Baumkletterer mit Zertifizierung verlassen den Kurs und beginnen nun eine Arbeit als überzeugte und begeisterte Baumpfleger, Baumkletterer. Denn wer einmal mit der Baumkletterei angefangen hat, wird wohl begeistert dabei bleiben.

Wer meint, nun kann nichts mehr passieren, irrt. Die frisch geprüften Baumkletterer gucken sich schon mal nach Übungsbäumen in ihrer Nähe um … oder sie melden sich bald beim nächsten Kletterkurs an. Denn das ist klar: fünf Tage reichen bei Weitem nicht aus, um die Baumpflege mit seilunterstützter Klettertechnik zu beherrschen.

Wir alle waren vor dem Kurs begeistert und hoch motiviert. Jetzt sind wir es erst recht.

Die Autorin: Renate Koppen
Dipl.-Ing. Landespflege, Fachlehrerin im Bereich Garten- und Landschaftsbau, Buchautorin und Herausgeberin eines Garten- und Landschaftsbau-Fachbuchs

 
Online blättern im Kletterblatt 2010: "Mit Spaß zum Ziel" Nach oben
 

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