Rettungsplanung für die SRT: Vorbereitung ist alles

Rettungsplanung für die SRTFür alle, die ganz wenig Zeit haben, kommt die Auflösung gleich am Anfang:

  1. Nein, mit einem einzigen Seil funktioniert die SRT nicht seriös, wenn man die Maßstäbe ansetzt, die sich seit Jahren für das Baumklettern etabliert und bewährt haben.
  2. RTFM (Read the fucking manual!) oder – wie man es übersetzt – „Lest doch bitte in der vom Hersteller mit Liebe angefertigten Bedienungsanleitung!“ Das gilt zwar auch sonst beim Baumklettern und weit darüber hinaus für viele Werkzeuge, die uns täglich umgeben, aber im Zusammenhang mit der SRT lohnt es sich, auf Spezifikationen wie kompatible Seildurchmesser oder Nutzlasten zu achten.

Also nehmt mindestens zwei Seile mit und lernt Eure Ausrüstung vor dem Einsatz kennen!

Der ausführlichere Teil dieses Beitrags soll sich mit Erklärungen beschäftigen. Geht es etwa schon wieder um Rettung? Würde man in einer Statistik erheben, wie viel Zeit Baumpfleger*innen am Seil mit dem Retten von verletzten Kolleg*innen verbringen, dann ist das Thema in der Ausbildung, in den gedruckten Medien und auf Meisterschaften definitiv überrepräsentiert. Die meisten kletternden Baumpfleger*innen werden in ihrer gesamten beruflichen Laufbahn keine einzige echte Rettung erleben. Das ist gut und soll auch so bleiben. Wenn man sich allerdings vorstellt, dass Menschen im Baum verunglücken, mit denen man seit Jahren zusammenarbeitet und befreundet ist, dann möchte man in genau diesem Augenblick so vorbereitet sein, dass man schnell und effizient helfen kann.

Sehr oft wird in der Argumentation für eine schlüssige Rettungsplanung das Leid oben im Baum in den Fokus gerückt. „Stell Dir vor, Du hängst dann da oben, kommst nicht weg und keiner kann Dir helfen!“ Natürlich ist das bitter, aber die Unbelehrbaren aus der Mir-passiert-schon-nichts-Fraktion gehen dann den nächsten Schritt und legen fest, dass sie im schlimmsten Fall eben selbst damit klarkommen müssen. So einfach ist das aber nicht.

Man hinterlässt eine Crew am Boden, die verzweifelt und mit allen Mitteln versuchen wird, trotz fehlender Vorbereitungen, Hilfe in den Baum zu bekommen. Vielleicht schafft sie es rechtzeitig, vielleicht auch nicht. Egal, ob die Rettung schlechter oder eben gar nicht funktioniert, diejenigen die darum gekämpft haben, tragen das Ergebnis für den Rest des Lebens mit sich herum. Das sollte man auch bedenken, wenn man die Rettungsplanung vor Beginn der Arbeiten für übertrieben hält.

Nur ein Seil mit einem Stammanker?

Nehmen wir den offensichtlichsten Fehler und eine Konstellation, die ihren Teil zur Begeisterung für die SRT beigetragen hat und wahrscheinlich immer noch beiträgt. Baumklettern mit SRT ist so schön einfach, wenn man vom althergebrachten System nur noch das Aufstiegsseil braucht und den ganzen anderen Quatsch wie Kambiumschoner und Kletterseil mit allem, was daran hängt, weglassen kann. Rettung ist doch schon lange kein Thema mehr, wenn man oberhalb des Stammankers einfach einen Anschlagknoten bindet oder für die ganz Vorsichtigen gleich ein Abseilgerät mit einbaut. Dann kann man eine verletzte Person doch im Notfall jederzeit abseilen. Nein, kann man nicht, jedenfalls nicht jederzeit.

Rettungsplanung SRT: Stammanker
Stammanker mit Anschlagknoten, Foto: Bernhard Schütte

Es ist großartig, dass sich bei der Verwendung von Stammankern am Aufstiegsseil die Anschlag­knoten für eine Rettung zunehmend als Standard etablieren. Eine hundertprozentige Rettungs­garantie können sie aber aus zwei Gründen nicht sein. Ist die Person handlungsunfähig, könnte sie beim Abseilen vom Boden aus in eine Astgabel rutschen und die Rettung ist erfolglos beendet. Wurde vom Aufstiegs­seil aus gearbeitet, könnte das sinnvoller­weise installierte Halteseil (Arbeits­position) das Abseilen von unten von vornherein unmöglich machen.

Da die SRT in dem beschriebenen Set-up nichts anderes ist als das ausschließliche Arbeiten am Aufstiegsseil, ist an vielen Stellen in der Krone und auf jeden Fall in der Arbeitsposition die Möglich­keit der Fremdrettung von unten extrem er­schwert oder ausgeschlossen. Wenn man dazu bedenkt, dass Unfälle bei der Bewegung durch die Krone und vor allem in Arbeitspositionen passieren, wird klar, dass eine am Stammfuß angeschlagene Rettungs­vorrichtung für den Aufstieg ganz okay, für die SRT pauschal jedoch nicht viel wert ist.
 

Ein weiteres Problem darf nicht außer Acht gelassen werden und das sind die Seilumlenkungen. Die SRT eröffnet neue Möglichkeiten im Baum. Aus heutiger Sicht werden umlaufendes Doppelseil und stehendes Einfachseil ihre Berechtigung im Baumklettern haben und man wird versuchen, die Vorteile des jeweiligen Systems an den Bäumen auszunutzen, die zu diesem System gut passen. Ich kenne jedenfalls ausreichend viele erfahrene Kolleg*innen, die das inzwischen so sehen.

Um die Vorteile der SRT nutzen zu können, wird das Seil möglichst weit oben einmal oder mehrfach Richtung Außenkrone umgelenkt. Ziel ist es, überall steile Seilwinkel für das Arbeiten zu erzeugen. Ob man dafür öfter auf- und absteigt, ist weniger wichtig als beim umlaufenden Seilsystem. Als natürliche Umlenkungen dienen dabei Astgabeln, durch die das Seil geführt wird. Künstliche Umlenkungen, die zwar etwas Material erfordern, dafür beim Einbau viel Zeit sparen, bestehen meist aus einer Bandschlinge (o. ä.) und einem Karabiner.

Ohne hier zu tief in die Physik einzusteigen, kann es aus Gründen der Kraftverteilung günstig sein, das Seil nur durch den Karabiner zu führen oder aber es mit einem Halbmastwurf oder einem Mastwurf zu fixieren. Wenn das Seil am Umlenkpunkt fixiert wird, ist eine Rettung durch das Abseilen von unten ausgeschlossen. Die gleiche Situation kann sich aber auch ergeben, wenn das Seil mit viel Reibung durch drei oder vier Astgabeln läuft. Wer das nicht glaubt, kann sich gern im Selbstversuch überzeugen.

Was ist dann mit dem Zustieg am Seil direkt über dem Stammanker? Die etwas flapsige Antwort auf die Frage könnte lauten: „Viel Spaß dabei!“, aber sie würde dem Ernst der Lage nicht gerecht. Die Überlegung ist nicht komplett abwegig, weil das Seil selbstverständlich hoch in den Baum führt und durch das Gewicht der Person auf der anderen Seite auch in ausreichendem Maß zum stehenden Seil werden kann. Das Seil steht aber während des Zustiegs unter Spannung, unterhalb und oberhalb der rettenden Person. Liegt das Seil am Stamm an, erschwert das den Aufstieg, läuft es durch enge Gabeln, ist der Aufstieg dort zu Ende. Dann hilft nur noch das Aussteigen aus dem Seil, das Überklettern der Gabel mit einer anderen Sicherung und die anschließende Rückkehr ins Seil. Eine echte Rettung ist herausfordernd genug, so dass man auf derlei Bonus-Hindernisse gern verzichten wird.

Ob man sein SRT-Seil mit einem Stamm- oder Kronenanker sichert, ist ein ganz anderes Diskussionsfeld, aber das Aufsteigen und das Arbeiten im Baum müssen durch die Verwendung von zwei Seilen voneinander getrennt werden, damit der Zustieg für eine Rettung immer gegeben ist.

Sind Aufstieg und SRT nicht prinzipiell gleich?

Technisch gesehen ist der Aufstieg am stehenden Einfachseil definitionsgemäß schon immer SRT. Die SRT im aktuellen Sinne des Begriffs hat das Klettern am stehenden Einfachseil insofern verändert, dass man ohne oder nur mit geringen Umbauten auf- und absteigen kann. Unter anderem deswegen kann man mit der SRT jetzt auch effizient und sicher in der gesamten Baumkrone arbeiten.

Nach mehreren Entwicklungsschritten wird der früher nur auf Steigklemmen basierende Aufstieg zunehmend vom Treppenaufstieg mit Auf-/Abseilgeräten abgelöst. Dazu steht man abwechselnd in einer Knie- und einer Fußsteigklemme und hat vor dem Körper Vorrichtungen, die in der Regel so am Gurt befestigt sind, dass sie im Aufstieg automatisch nach oben geführt werden. Im Moment stehen dafür z. B. Akimbo, ZigZag und Chicane, Rope Wrench und Klemmknoten und LOV2 oder LOV3 zur Verfügung. Mit Vorfreude wird die Einführung des CE-zertifizierten RopeRunner erwartet und ganz sicher kommen in naher Zukunft Geräte anderer Hersteller dazu.

Die Aufstiegsseile waren vor vielen Jahren zur Hochzeit der Footlock-Technik einfach normale Kletterseile. Mit zunehmender Verwendung von Klemmen, die formschlüssig auf dem Seil arbeiten, wurden dünnere Seile verwendet, die somit auch ein geringeres Metergewicht haben. Seile von 10 oder 10,5 Millimeter Durchmesser sind völlig normal.

Der Durchmesserbereich, in dem Steigklemmen eingesetzt werden dürfen und funktionieren, ist recht groß und kann zum Beispiel 8 bis 13 Millimeter betragen. Bei den Geräten, die derzeit überwiegend für SRT eingesetzt werden, liegt dieser Bereich etwa bei 11 bis 13 Millimetern. Ein LOV3 wiederum ist für 10 bis 11 Millimeter zugelassen. Wenn wir also soweit einig sind, dass das individuelle SRT-Seil nicht das Aufstiegsseil sein darf, folgt nun die Frage, welches Seil da eigentlich als Rettungszustieg im Baum hängt.

Weil es bei der Auswahl an Seildurchmessern und Seilgeräten durchaus Kombinationen geben kann, in denen die Selbstblockierung nicht funktioniert oder im Gegenteil zu viel Reibung auftritt, muss vor Beginn der Arbeiten geklärt sein, dass die zur Verfügung stehenden Geräte für die Verwendung der jeweiligen Rettungszustiege geeignet sind.

Rettungsplanung mit SRT: Rettung im Baum
Foto: Tim Schröder

Rettung mit SRT

Ein Vorteil der SRT besteht darin, dass man für die gleichen Wege nur halb so viel Seil benötigt wie mit einem umlaufenden Seilsystem. Man muss sich auch nicht mit Reibungswiderständen an Umlenkungen herumärgern und der Einbau der Umlenkung funktioniert eventuell einfacher. Diese bedeutenden Vorteile laden dazu ein, sich an Stelle des lange verbreiteten umlaufenden Rettungssystems ein SRT-System für die Rettung bereitzulegen. Für die Besitzer*innen von Rettungsbananen mit 60 oder 70 Metern Seil klingt die Halbierung des Seilgewichts bestimmt verlockend.

Wer SRT im Arbeitsalltag klettert, wird mit einem SRT-Rettungssystem natürlich einen absoluten Zugewinn haben. Wer überwiegend umlaufend klettert, sollte sein vertrautes System für die ohnehin stresserfüllte Ausnahmesituation einer Rettung keinesfalls verlassen.

Eine Rettung, die an zwei Seilen stattfindet, wird über die Bedienung der beiden Geräte/Klemmknoten gefahren. Ist das Seil der hilflosen Person zu kurz oder beschädigt, muss eine Übernahme in das Rettungsseil erfolgen. Danach wird das Rettungsgerät mit dem Gewicht von zwei Personen belastet. Ob das Gerät für diese Lasten ausgelegt ist, lässt sich leicht in der Bedienungsanleitung nachlesen. Für die bekannten SRT-tauglichen Geräte ist eine Nutzlast im Bereich von 120 bis 140 Kilogramm angegeben. Das kann bei zwei Personen mit Ausrüstung schon knapp werden.

Für die Rettung in einem Seil muss man sich auf jeden Fall einen Plan für eine Zusatzreibung machen, die das Gerät entlastet. Der Klassiker ist die Abseilacht, aber auch eine Karabiner-Ring-Kombination oder ein Halbmastwurf können funktionieren. Wichtig ist es, das Verhalten unter der doppelten Last in einer kontrollierten Übung zu testen. Gerade Geräte mit sehr feinen Einstellmöglichkeiten (Akimbo) reagieren empfindlich auf Veränderungen.

Alles, was über das zusätzliche SRT-Rettungssystem geschrieben wurde, gilt technisch natürlich auch, wenn man mit SRT im Baum arbeitet und plötzlich jemanden aus der anderen Kronenhälfte des Baumes retten muss.

Falls es schon wieder in Vergessenheit geraten ist: Aufstieg und Klettern im Baum sollen auch bei SRT nicht am selben Seil stattfinden. Ausrüstung funktioniert in dem Bereich am besten, für den sie konstruiert wurde und wer sie einsetzt, sollte wissen, welche genauen Grenzen dieser Bereich hat.


Der Autor: Bernhard Schütte (E-Mail)

  • Dipl. Ing. für Forstwissenschaft
  • Inhaber von Baumpflege Seenland
  • Ausbildungsleiter im Team der Münchner Baumkletterschule

Dieser Beitrag ist zuerst im Kletterblatt 2022 erschienen.

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